Warum Vermeiden, Unterdrücken und Grübeln ungünstige Strategien bei Wut und Ärger sind

2015 lag die statistische Geburtenrate in Deutschland bei 1,5 Kindern je Frau. Dies ist der Höchststand seit 1982.

Die geringe Kinderdichte in Deutschland hat zur Folge, dass immer mehr Menschen unsicher, teilweise überfordert sind, sobald sie selbst Eltern werden.

Wer seinen Stress regelmäßig unkontrolliert an seinen Kindern auslässt – indem er schimpft, schreit oder aus Hilflosigkeit Strafen verhängt, die nicht seinen Werten entsprechen – der fühlt sich hinterher jedes Mal mies und möchte das nicht wiederholen.

Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und vermutlich hast auch du eine Gewohnheit etabliert, wie du mit diesem schlechten Gefühl umgehst:

  • Versuchst du, die negative Stimmung zu unterdrücken, indem du dir einen Kaffee, ein Stück Schokolade oder ein Glas Rotwein gönnst?
  • Zückst du dein Smartphone und checkst, was es so Neues in der Welt und in den Sozialen Medien gibt (und entgehst so dem unangenehmen Hier und Jetzt)?
  • Vielleicht bestellst du dir auch etwas Schönes online, dann kannst du dich auf etwas freuen?
  • Verurteilst du dich innerlich selbst aufs Schärfste, schämst dich, eine so „schlechte“ Mutter zu sein und verzweifelst daran, dich einfach nicht besser im Griff zu haben?
  • Reißt du dich zusammen und spielst die Rolle der fröhlichen und zugewandten Mutter, die du eigentlich sein solltest, um diese negative Erfahrung deines Kindes auszubügeln?
  • Übergehst du aus deinem schlechten Gewissen heraus vielleicht deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen für die Wünsche deiner Kinder?
  • Grübelst du viel über die Situationen nach, in denen du dich nicht korrekt verhalten hast (wobei du in den zugehörigen unangenehmen Gefühlen badest und sich doch keine Lösung einstellt)?
  • Versuchst du, jegliche Konflikte mit deinem Kind zu vermeiden, um dein inneres Monster in Schach zu halten?

Egal welche dieser Strategien du nutzt, sie verschaffen zunächst eine Erleichterung und du gewinnst das Gefühl, die Situation wieder etwas besser unter Kontrolle zu haben.

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Dein Gehirn hat sich das in etwa so abgespeichert: „Wenn ich mich nach unkontrollierten Ausbrüchen mies fühle, hat mir immer Strategie XY geholfen, deswegen setzte ich die jetzt immer automatisch ein. Das ist Ressourcen sparend, denn ich muss nicht erst aufwändig nach einer passenden Reaktion suchen und habe Kapazitäten für anderes frei."

Nur leider ist es bei den oben beschriebenen Strategien in etwa so, wie jedes Mal eine Schmerztablette einzuwerfen, wenn du Kopfschmerzen bekommst. Es lindert zwar die Symptome, aber die Ursache bleibt. Die Symptome tauchen immer häufiger auf und eventuell kommen noch weitere hinzu – von den Langzeit-Nebenwirkungen der Medikamente ganz zu schweigen. 

Das Problem, in herausfordernden Situationen mit den Kindern die Nerven zu verlieren, löst sich durch Grübeln, Unterdrücken oder Vermeiden nicht auf wundersame Weise in Luft auf. Es wird im Gegenteil immer größer, bis es irgendwann deinen gesamten Alltag überschattet.

Warum ist das so? Lass uns die drei genannten Kategoriengenauer unter die Lupe nehmen:

Kaum ein Mädchen wurde groß, ohne dass es die Möglichkeit hatte, beiläufig die Rolle als Mutter zu erlernen und einzuüben.

Es mangelte nicht an Gelegenheiten zu beobachten, wie Erwachsene mit Säuglingen umgehen. Ganz selbstverständlich passten die Mädchen (aber sicher auch die Jungen) auf ein Nachbarbaby, den kleinen Cousin oder das eigene jüngere Geschwisterkind auf.

1. Unterdrücken von Gefühlen

Das Unterdrücken von Gefühlen wie Wut und Ärger ist eigentlich eine Strategie, die nicht das Gefühl selbst unterdrückt, sondern lediglich den dazu gehörigen Ausdruck.

Wir sagen uns dann, wir müssen uns einfach besser „zusammenreißen“ und uns „in den Griff“ kriegen. Die Gefühle sind trotzdem weiter da, aber wir wollen keinesfalls, dass diese nach außen hin sichtbar werden.

Zum Antritt unserer Mutterschaft wissen viele von uns kaum etwas von all den Problemen, die es beim Großziehen der Kinder natürlich schon immer gegeben hat.

Diese Unterdrückung können wir nur leisten, wenn wir unsere geistigen Ressourcen, insbesondere unsere Aufmerksamkeit, sehr stark darauf konzentrieren. 

An anderer Stelle fehlen uns Kapazitäten, die wir gerade im Zusammenleben mit unseren Kindern aber dringend bräuchten. Zum Beispiel dafür, unsere Kinder bei Gefühlsausbrüchen empathisch zu begleiten oder um Bedürfniskonflikte in der Familie auf bedachte und kreative Weise lösen zu können.

Da das innere Erleben sich nicht mit dem äußeren Ausdruck deckt, kommen sich Eltern häufig nicht authentisch oder gar unehrlich vor. Als ob wir unserer Familie – den Menschen, die uns so viel bedeuten – nur mit einer aufgesetzten Maske begegnen könnten. 

Und selbstverständlich spüren das die Kinder auf der anderen Seite ebenso.

Dort, wo eigentlich eine besonders innige und liebevolle Beziehung bestehen sollte, zeigen wir uns nur als eine leere Fassade und so entfremden wir uns.

Da lediglich der Ausdruck der Gefühle unterdrückt wird, sind diese innerlich weiterhin präsent und können sich nicht auflösen, wie das bei anderen Strategien der Fall ist. 

Deshalb sammeln sich die Gefühle an und der Stresspegel steigt. Irgendwann können wir die Unterdrückung nicht mehr aufrechterhalten. Es kommt dann zu sehr unschönen Szenen, in denen sich all der angestaute Ärger über den Kindern oder dem Partner entlädt.

Du siehst, wenn du dir eigentlich eine gute Beziehung zu deinem Kind wünschst und das Familienleben auf eine konstruktive Weise gestalten möchtest, ist das Unterdrücken von Gefühlen ein denkbar schlechter Weg.

2. Vermeiden

Wenn wir unsere Gefühle also nicht unterdrücken dürfen, vielleicht sollten wir einfach Situationen meiden, in denen solche Gefühle auftauchen?

Dafür stehen uns verschiedenste Werkzeuge zur Verfügung. Wir können unser Handy zücken und damit in eine andere Welt abtauchen. Wir können uns mit Genussmitteln wie Süßigkeiten, Zigaretten, Alkohol o. Ä. ablenken und uns kurzfristig gute Gefühle verschaffen.

Im Umgang mit unseren Kindern können wir vielleicht versuchen, ihnen einfach alles recht zu machen, um nicht in Konfliktsituationen zu geraten. Wir erfüllen ihnen jeden Wunsch, räumen jegliche Hindernisse vorauseilend aus dem Weg. Wir erlauben ihnen alles. Damit einfach mal Ruhe ist. Oder wir lenken sie mit einer Tüte Gummibärchen ab.

Kurzfristig kann ein Ablenken des Kindes vom Konfliktthema manchmal hilfreich sein. Man räumt sich dadurch die Möglichkeit ein, selbst erstmal durchzuatmen und einen klaren Kopf zu bekommen. Alles in Ordnung, solange du tatsächlich später noch zur Problemlösung übergehst.

Wenn wir jedoch, aus Angst vor dem Auftauchen des Gefühls, eine andauernde Vermeidungstaktik an den Tag legen, kann das weder uns noch unserem Kind, noch unserer Beziehung zueinander guttun.

Wir begegnen unserem Kind nicht auf Augenhöhe. Stattdessen kehren wir unsere eigenen Bedürfnisse zugunsten der Wünsche unseres Kindes vollständig unter den Teppich. Das macht uns auf Dauer kraftlos.

Zudem bürden wir dem Kind die Verantwortung auf, die eigentlich wir als Eltern tragen sollten. Wenn wir das Kind alle Entscheidungen treffen lassen – auch die, dessen Tragweite es aufgrund mangelnder Erfahrung noch nicht einschätzen kann – fühlt es sich bei uns nicht sicher und geborgen.

Es wird versuchen, durch „schwieriges“ Verhalten darauf hinzuweisen. Und schon kommt es zu Konfliktsituationen, die wir ja eigentlich vermeiden wollten. Es entsteht ein Teufelskreis.

Sich einfach wegzuducken und zu hoffen, dass wir nicht mehr in solch „gefährliche“ Situationen geraten werden, ist gerade im Zusammenleben mit Kindern also weder sinnvoll noch möglich.

3. Grübeln

Mit Grübeln meine ich ein kritisches Gedankenkreisen rund um ein Problem. Dabei wird versucht, das Problem und die verknüpften Gefühle zu verstehen und dadurch eine Lösung zu finden.

Nur leider kommt es nie zu dieser Lösung des Problems, da Lösungswege nie zu Ende gedacht, geschweige denn deren Umsetzung eingeleitet werden.

Tatsächlich ist es so, dass das Grübeln, z.B. in Form von scharfer Selbstkritik, dich nicht weiterbringt, nein, es schadet dir sogar! 

In jeder Grübelschleife durchlebst du die unangenehmen Gefühle wieder und wieder. Es werden immer mehr Stresshormone ausgeschüttet. Schlaflosigkeit, andauernde negative Stimmung, erhöhter Blutdruck, Kopf- oder Bauchschmerzen und ein geringes Selbstwertgefühl können die Folgen sein. 

Es ist daher wichtig, das Grübeln zu stoppen. Stattdessen solltest du dich sin eine Verfassung bringen, in der du tatsächlich etwas verändern kannst, statt immer nur mit einem Gefühl der Ohnmacht darüber nachzudenken.

Erkennst du dich in der ein oder anderen Strategie wieder?

Herzlichen Glückwunsch! Dass du dir dessen bewusst wirst, ist erstmal ein Grund zur Freude. Denn nur, wenn du weißt, dass du eine nicht zielführende Strategie automatisch einsetzt, kannst du dagegen angehen und dir neue Fähigkeiten aneignen.

Gute Strategien, mit negativen Gefühlen umzugehen, sind neben der allgemeinen Stressreduktion: Neubewertungen, Akzeptanz, Problemlösen und soziale Unterstützung.

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Autorin Lena Franck

Ich bin Lena Franck, 41 Jahre alt und selbst Mutter dreier Kinder. Als Mama-Coach helfe ich Müttern, im Familienalltag gelassen und selbstsicher zu sein, sodass sie ihr Leben mit ihren Liebsten endlich genießen können, statt nur zu meckern und zu schimpfen – denn eine zufriedene Mama ist das größte Geschenk für die Entwicklung eines jeden Kindes!
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  1. Es ist wirklich beeindruckend, wie du die ungünstigen Strategien, die wir manchmal anwenden, um mit Wut und Ärger umzugehen, so genau beschreibst. Du hast vollkommen recht, dass diese Strategien nur die Symptome lindern, aber die Ursache nicht beheben. Es ist wichtig, sich dieser ungünstigen Strategien bewusst zu sein und alternative Wege zu finden, um mit schwierigen Gefühlen umzugehen. Ich denke, dein Artikel ist eine sehr hilfreiche Erinnerung daran, dass es wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, um die Ursachen von Wut und Ärger zu erkennen und zu arbeiten, um besser damit umgehen zu können. Ich schätze deine Einsichten und ich hoffe, dass sie anderen Eltern helfen werden, ihre eigenen Strategien zu überdenken und bessere Wege zu finden, um mit schwierigen Gefühlen umzugehen.

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