Kinder haben von Natur aus ein feines Gespür für ihre persönlichen Grenzen. 

2015 lag die statistische Geburtenrate in Deutschland bei 1,5 Kindern je Frau. Dies ist der Höchststand seit 1982.

Die geringe Kinderdichte in Deutschland hat zur Folge, dass immer mehr Menschen unsicher, teilweise überfordert sind, sobald sie selbst Eltern werden.

Schon kleine Babys spüren und signalisieren, wenn sie genug haben und ihre Grenzen erreicht sind. Beispielsweise wenden sie ihren Blick vom Gegenüber ab, um sich vor einer Überreizung zu schützen. Sie hören auf zu trinken, sobald sie satt sind. Wenn sie müde sind, zeigen sie das, ob nun Schlafenszeit ist oder nicht. Norm hin oder her, das Baby hört auf seinen Körper.

Viele Erwachsene haben sich leider abtrainiert, in ihren Körper hineinzuhören. Sie essen routiniert ihren Teller leer, ganz unabhängig von ihrem akuten Energiebedarf.

Sie haben sich abtrainiert, während der Arbeit nach Bedarf Pausen zu machen und sich zu bewegen. Als Ersatz dienen fest eingeplante Sportkurse nach Feierabend.

Fühlen sich diese Erwachsenen müde, legen sie sich leider nicht sofort hin, denn sie „müssen“ erst noch die Küche aufräumen, die E-Mails checken oder den Tatort schauen.

Manche Erwachsene haben mit chronischen Krankheiten zu kämpfen, anderen platzt hin- und wieder unkontrolliert der Kragen, wieder andere implodieren, d.h. sie fühlen sich erschöpft, ja regelrecht lahmgelegt. Das alles sind Alarmsignale des Körpers, dass seine Bedürfnisse zu oft übergangen wurden.

Wie konnte es so weit kommen?

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Wer im Erwachsenenalter mehr nach äußeren Anforderungen lebt, als auf sein Gefühl zu achten, der hat wahrscheinlich in seiner Kindheit erlebt, dass genau das von ihm erwartet wurde.

Jedes „ist doch nicht so schlimm“, jedes „jetzt reiß dich doch mal zusammen“ und jedes „iss wenigstens ein paar Löffel voll, sonst bekommst du keinen Nachtisch“, entfernt das Kind weiter von sich selbst.

Kaum ein Mädchen wurde groß, ohne dass es die Möglichkeit hatte, beiläufig die Rolle als Mutter zu erlernen und einzuüben.

Ihm wird klar, dass seine eigene Wahrnehmung, seine Gefühle und Bedürfnisse irgendwie hinderlich sind, wenn es von anderen angenommen werden möchte. Daher werden diese Signale zunehmend ignoriert und der innere Kompass wird eher nach Erwartungen anderer ausgerichtet.

Das ist schade. Denn wie soll sich jemand gut um sich kümmern, gesunde Grenzen wahren, sich nicht überfordern, wenn er entsprechende Körpersignale ausblendet?

Es mangelte nicht an Gelegenheiten zu beobachten, wie Erwachsene mit Säuglingen umgehen. Ganz selbstverständlich passten die Mädchen (aber sicher auch die Jungen) auf ein Nachbarbaby, den kleinen Cousin oder das eigene jüngere Geschwisterkind auf.

Was sind persönliche Grenzen?

Persönliche Grenzen sind nichts, was wir durch gedankliche Überlegungen nach eigenem Gutdünken festlegen können, wie es uns passt oder logisch erscheint.

Unsere natürlichen Grenzen entsprechen unserem individuellen Vermögen, unserer Kraft. Sobald wir über diese Grenzen hinausgehen, fühlen wir uns überfordert.

Zum Antritt unserer Mutterschaft wissen viele von uns kaum etwas von all den Problemen, die es beim Großziehen der Kinder natürlich schon immer gegeben hat.

Niemand kann von außen für uns bestimmen, wo diese Grenzen liegen oder wie groß wir unsere Herausforderungen wählen sollten, um zu wachsen.

Es gibt kein Merkblatt für frisch gebackene Mamas mit „Gängigen Müttergrenzen, an denen Sie sich orientieren sollten“, auch wenn viele Mamas gerne diese Expertenverordnung hätten, bevor sie sich trauen, für sich einzustehen.

Persönliche Grenzen von Kindern

Kinder halten sich gerne und oft von sich aus an dieser Grenze ihres Vermögens auf, denn hier geht es ihnen gut. Hier können sie wachsen und gedeihen.

Sie müssen nicht erst lernen, wo diese Grenzen liegen.

Allerdings können wir Eltern ihnen diese Gabe leicht und oft unbewusst abtrainieren, indem wir die kindliche Körperwahrnehmung übergehen.

Das passiert schnell, da wir es aus unserer Kindheit nicht anders kennen.

Vielleicht wurdest du mit folgenden Sprüchen konfrontiert: „Sei brav!“, „Heul nicht!“, „Sei kein Feigling!“ und „Du ziehst die Mütze an, weil ich es sage!“

In Zeiten, in denen Babys strikt nach Zeitplan gestillt, schlafen gelegt und aufs Töpfchen gesetzt wurden, in denen der Indianer keinen Schmerz kannte und ganz allgemein Zucht und Ordnung herrschte, waren individuelle Befindlichkeiten einfach nicht willkommen.

Auch wenn wir heute anders mit unseren eigenen Kindern umgehen möchten, hat sich das damals gängige Erziehungskonzept doch tief in uns eingebrannt.

Es hilft daher, sich bewusst zu machen, wann sich Kinder von Natur aus nach ihren persönlichen Grenzen ausrichten und sie dann nicht daran zu hindern.

Dies sind Beispiele aus meinem Leben.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen vs. Mama, ich bin müde

Es ist 14:00. Wir haben zu Mittag gegessen, ich habe die Küche aufgeräumt und mit meinem Mann Kaffee getrunken, während meine Tochter friedlich an einem Bild zeichnete.

Jetzt frage ich meine Tochter, welche Hausaufgaben sie heute aufhat. Sie zeigt mir drei kleine Rechenaufgaben. Ich bin erleichtert und denke, dass sie das in spätestens fünf Minuten erledigt haben wird. Wir werden uns also heute nicht wegen der Hausaufgaben streiten, so meine Erwartung.

Meine Tochter aber scheint mich provozieren zu wollen. Auf meine Aufforderung hin holt sie zunächst das falsche Heft aus dem Schulranzen. Dann behauptet sie, die Aufgabe nicht zu verstehen. Dann schreibt sie etwas offensichtlich Falsches ins Heft.

Ich bin genervt und frage sie, was denn los sei. Sie sagt, „Ich weiß auch nicht, ich bin so müde!“. Ich sage: „Ja, kann sein, aber das ist doch für dich super leicht. Wenn du gleich angefangen hättest, wärst du jetzt schon fertig.“

Meine Tochter springt auf und schreit mich wütend an: „Egal was ich sage, es ist falsch. Wenn ich sage, dass ich die Aufgabe nicht verstehe, ist das falsch. Wenn ich sage, dass ich müde bin, ist das auch falsch.“ Sie wirft zornig ihre Schulsachen durch den Raum und rauscht ab. Die Hausaufgaben sind unerledigt.

Ich habe eine sehr weise Tochter, die zum Glück stets mit Nachdruck für sich selbst einsteht. 

Erst mit ein paar Stunden Abstand konnte ich erkennen, dass sie recht hat. Wer bin ich, dass ich darüber entscheide, wie müde sie ist, ob sie die in meinen Augen für sie so einfache und kurze Aufgabe jetzt erledigen kann oder nicht?

Ich weiß, dass Schule für meine sensible Tochter äußerst anstrengend sein kann. Warum glaube ich ihr nicht, dass sie sich erstmal erholen muss? Weil sie so ruhig und friedlich zeichnet? Woher weiß, ich, was in ihrem Inneren los ist?

Ich selbst hatte als Kind die Hausaufgaben immer direkt nach dem Mittagessen erledigt und bin damit immer gut gefahren. Viele Familien in meinem Bekanntenkreis halten es genauso. Meiner Tochter wollte ich diese „kluge“ Strategie einfach überstülpen.

Später bin ich zu ihr gegangen und habe ihr gesagt, dass ich darüber nachgedacht habe und dass ich ihr glaube, dass sie zu müde war. Ich habe ihr gesagt, dass sie die Hausaufgaben ja nunmal irgendwann erldedigen muss und was sie meint, wann ein guter Zeitpunkt dafür wäre.

Sie wollte es abends machen und ich sorgte mich insgeheim, ob sie dann, nach einem erfüllten Nachmittag, nicht zu müde sein würde. Aber natürlich muss ich ihr die Beurteilung überlassen und sie ihre Erfahrungen machen lassen.

Es klappt übrigens mittlerweile seit einigen Wochen recht gut abends. Vielleicht wird sie eines Tages tatsächlich einmal zu müde sein. Aber auch ich bin manchmal zu müde, um zum Beispiel an einem Blog-Beitrag zu schreiben – auch wenn ich es mir fest vorgenommen habe. Auch das darf sein.

Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages – oder doch nicht?

Als ich ein Kind war, wurde den Eltern geraten, bei einem Schulkind auf ein ordentliches Frühstück  zu achten, damit es sich in der Schule gut konzentrieren könne (ja, es wird heute noch oft geraten).

Leider hatte ich am frühen Morgen keinen Appetit. Meine Eltern fanden das erstmal nicht weiter dramatisch, denn ich hatte ja ein Pausenbrot dabei. Nun ja, um ehrlich zu sein, hatte ich eigentlich den gesamten Vormittag überhaupt keinen Appetit – schon gar nicht auf das fade Pausenbrot.

Eine Zeit lang schmiss ich das Pausenbrot in der Schule weg, denn mir war klar, dass ich es nicht einfach „abbestellen“ durfte. Bei einem Streit mit meinen Eltern verriet ich meine Missetat und drohte, damit weiter zu machen, sollte man mich zukünftig immer noch zwingen Pausenbrote mitzunehmen. Meine Mutter war entsetzt. Ein Kind ohne Frühstück – das darf nicht sein!

Und so musste ich von diesem Tage an jeden Morgen, bevor ich zur Schule aufbrach, vor den Augen meiner Mutter eine Kleinigkeit essen – und wenn es nur eine Kiwi war.

Sobald ich zum Studium zu Hause ausgezogen war, verzichtete ich auf das Frühstück. Als Langschläfer und Morgenmuffel hatte ich für sowas keine Zeit.

Erst mit Anfang 20, auf einer Gruppenreise durch Marokko, zu der mich meine Eltern eingeladen hatten, versicherte mir eine mitreisende Ärztin, dass ich da ruhig auf meinen Körper hören dürfe. Menschen sind verschieden und sind zu verschiedenen Zeiten hungrig und das ist gut so.

All die Jahre hatte ich gedacht, dass mit mir eben etwas nicht stimmt. Ich dachte, dass mein innerer Schweinehund einfach zu groß war, um mich zu überwinden, diese doch so überaus gesunde Gewohnheit des Frühstückens endlich für mich zu etablieren.

Heute weiß man um die gesunde Wirkung des sogenannten Intervallfastens. Die Jäger und Sammler in alten Zeiten mussten öfter mal längere Hungerperioden überstehen und das ist, wie man heute herausgefunden hat, äußerst gesund für den menschlichen Körper.

Hätte ich bereits in jungen Jahren auf meinen Körper hören dürfen, hätte er tagtäglich den gesunden Zellreinigungsprozess, genannt Autophagie, durchführen können, ohne dass ich im geringsten hätte Verzicht üben müssen.

Und, Ironie des Schicksals, welcher gesundheitsbewusste Mensch hat seit einiger Zeit das Intervallfasten für sich entdeckt? Richtig, meine liebe Mama, der ich trotz allem sehr dankbar bin, denn sie wollte stets das Beste für mich!

Kind, mach deine Jacke zu, es ist kalt!

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Einige Kinder im Grundschulalter rennen wild fangen spielend kreuz und quer über eine Wiese. Wir Eltern stehen am Rand und unterhalten uns. Es ist Übergangszeit.

Ein Vater brüllt zu seinem Sohn „Mach deine Jacke zu!“. Der Sohn ist ins Spiel vertieft und reagiert nicht. Der Vater brüllt noch zwei Mal, bis der Sohn endlich seiner Aufforderung folgt.

Schimpfend bemerkt der Vater zu den umstehenden Eltern: „Da rennen zehn Kinder rum und wer macht seine Jacke nicht zu? Natürlich mein Sohn! Dabei war er doch gerade erst erkältet.“

Vermutlich war dem Vater, der ja nur herumstand, wirklich so kalt, dass er seine Jacke geschlossen halten musste. Aber ich wunderte mich doch, dass er zu wissen glaubte, ob seinem Sohn beim Rennen nun warm oder kalt war. Einige Kinder waren nur im T-Shirt. Das schien er nicht wahrzunehmen.

Vermutlich hatte der Vater es einfach selbst als Kind so erlebt und dachte, es sei nun seine Pflicht, sich als Vater seinem Kind gegenüber genauso „fürsorglich“ zu verhalten. Vielleicht hat er unreflektiert diesen Glaubenssatz verinnerlicht „Wer im Herbst nicht seine Jacke schließt, wird krank“.

Was lernt ein Kind, dem nicht gestattet wird selbst nachzufühlen, ob ihm gerade warm oder kalt ist und entsprechend zu regulieren, indem es eine Jacke an- oder auszieht, sie schließt oder öffnet?

Es lernt vielleicht, dass es unwichtig, oder gar trügerisch, gefährlich ist, was es selbst fühlt. Wenn es sich danach richten würde, würde es nach Aussage des Vaters krank werden.

Stattdessen wird es von seinem Vater künstliche Regeln lernen, welche Kleidung bei welcher Witterung angemessen ist. Ob sein eigener Körper sich damit unwohl fühlt, ist nicht relevant. Wenn der Junge eines Tages selbst Vater wird, kann er dieses Vorgehen an seine eigenen Kinder weitergeben.

Beobachte dich selbst mal im Alltag: in welchen Situationen neigst du dazu ein „so macht man das“ über die Wahrnehmung deines Kindes zu stellen?

Es gibt da noch etwas, was dein Kind noch mehr darin beeinflusst, ob es als erwachsener Mensch die eigenen Grenzen achten und sich dadurch gut um sich selbst kümmern kann.

Den stärksten Einfluss auf dein Kind hast du durch das Vorbild, das du deinem Kind durch deine eigene Lebensweise bietest.

Was lebst du deinem Kind vor?

Bemühst du dich dein Kind darin zu bestärken, sich nach der Wahrnehmung seiner persönlichen Grenzen auszurichten? Opferst du dich aber gleichzeitig selbst auf, indem du jegliche innere Grenze ignorierst und dich stattdessen nach äußeren oder selbst auferlegten Anforderungen richtest?

Dein Kind wird glauben, dass dies das Leben eines „guten“ Erwachsenen ist und dir nacheifern. Stell dir vor, dein Kind besucht dich eines Tages als erwachsene Person, die selbst kleine Kinder hat. Wie wird sich das anfühlen, wenn du wahrnimmst, dass es ihm genauso geht, wie dir heute?

Wenn du dich heute darin übst, wieder deine Körperempfindungen, Gefühle und Bedürfnisse wahr- und ernst zu nehmen, dann ist das ein riesiger Gewinn – nicht nur für dein Leben, sondern für alle nachfolgenden Generationen. Also, worauf wartest du noch? Fange am besten noch heute damit an!

Wie sind deine Gedanken zu dem Thema? Hast auch du die Erfahrung gemacht, dass erfahrenere Mütter häufig entspannter sind? Ich freue mich über deinen Kommentar.

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Was dir – genau wie den Schimpansinnen – helfen kann, ist ein soziales Netzwerk, das dich unterstützt und dich in harten Zeiten auffängt. Nimm daher jede Gelegenheit wahr, Familienbande, Freundschaften und deinen Bekanntenkreis zu pflegen. So fällt es dir leichter, um Hilfe zu bitten und Unterstützung zu erhalten. Du musst es nicht alleine schaffen.

Autorin Lena Franck

Ich bin Lena Franck, 41 Jahre alt und selbst Mutter dreier Kinder. Als Mama-Coach helfe ich Müttern, im Familienalltag gelassen und selbstsicher zu sein, sodass sie ihr Leben mit ihren Liebsten endlich genießen können, statt nur zu meckern und zu schimpfen – denn eine zufriedene Mama ist das größte Geschenk für die Entwicklung eines jeden Kindes!
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