Als Mama hast du viel zu tun. Manchmal so viel, dass du glaubst, die Arbeit wächst dir über den Kopf.
Und eigentlich müsstest du noch so viel mehr schaffen!?
Die Zeit rennt und rennt. Durch ein gutes Zeitmanagement, so die Hoffnung, kannst du vielleicht noch ein freies Zeitfenster herausholen. Aber wofür? Um noch mehr Aktivitäten einzuplanen?
Ist es wirklich das, was dir im Leben wichtig ist – möglichst viele Vorhaben in deinen Terminkalender zu pressen?
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Wie kannst du deine Zeit wirklich sinnvoll nutzen?
Vielleicht kommen wir diesem Rätsel auf die Spur, wenn wir uns klarmachen, wie unsere subjektive Zeitwahrnehmung zustande kommt.
Während die Zeit objektiv gesehen gleichmäßig verstreicht, erleben wir subjektiv große Unterschiede im Zeitempfinden. Mal scheint die Zeit zu rennen, mal in Zeitlupe zu vergehen. Manchmal erleben wir eine schöne Zeit, manchmal nehmen wir sie als unangenehm wahr.
Es ist ein großer Unterschied, ob wir die Zeit gerade durchleben, oder ob wir sie im Nachhinein betrachten.
Erinnerte Zeit
Rückwirkend kommt es allein auf die Erlebnisdichte an, d.h., wieviele neuartige, intensive Erfahrungen wir gemacht haben. Waren es viele solcher Erlebnisse, kommt uns die Zeit lange und erfüllt vor. Auch unangenehme Erfahrungen können wir in unserer Erinnerung als wertvoll betrachten.
Bei Alltagstätigkeiten erinnern wir uns nicht an Details, sodass uns die Zeit im Nachhinein kurz vorkommt.
Das ist auch der Grund, warum wir die Kindheit und Jugend – in der wir so vieles zum ersten Mal erlebt haben – als ausgedehnte, erlebnisreiche Zeit in Erinnerung haben, während die Jahre als Erwachsener, wenn wir in unseren Routinen gefangen sind, geradezu an uns vorbeizurauschen scheinen.
Es geht uns allen wohl so, dass wir lieber auf ein intensives Leben voller Höhen und Tiefen, voller mächtiger Eindrücke zurückblicken möchten, als auf gleichförmige Jahre, die kaum eine Spur in unserem Gehirn hinterlassen konnten. Neue, prägende Erlebnisse sorgen für ein erfüllteres, zufriedeneres Leben.
Versuche daher gezielt, Raum für neue Erfahrungen zu schaffen.
Dazu gehört auch, dass wir unsere Komfortzone, die alles Gewohnte beinhaltet, regelmäßig bewusst verlassen. Lass deiner Fantasie freien Lauf: Welche neue Erfahrung kannst du in dein Leben lassen?
Das können ganz kleine Schritte sein, z.B. könntest du ein neues Kochrezept ausprobieren, auf einen unbekannten Spielplatz gehen, einen anderen Weg zur Arbeit nehmen etc.
Anregungen für intensivere Erlebnisse: Schnapp dir deine Familie und besuche Freunde und Bekannte, die du schon sehr lange nicht mehr gesehen hast. Baue deinen Freundeskreis aus, indem du etwas mit sympathischen flüchtigen Bekanntschaften unternimmst. Plane einen Urlaub ganz anderer Art als gewohnt. Erlerne eine neue Sprache oder suche dir ein neues Hobby.
Wenn du in einem Lebensbereich besonders unzufrieden bist, kannst du dich auch durch große, radikale Veränderungen dazu bringen, das Leben wieder zu spüren. Orientiere dich beruflich neu, ziehe um oder gehe für ein paar Jahre ins Ausland. Leben bedeutet Veränderung. Veränderung bedeutet Leben.
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Erlebte Zeit
Ob wir die gerade gelebte Zeit als lang oder kurz empfinden, hängt von unserer Aufmerksamkeit ab.
Die Zeit rennt
Sind wir hoch konzentriert bei einer Tätigkeit, dann achten wir gar nicht auf die Zeit. Sie vergeht dann wie im Flug.
Dabei kann es uns schlecht gehen, wenn wir überfordert sind. Wir haben uns mehr vorgenommen, als wir realistisch betrachtet schaffen können. Wir sind gestresst.
Es kann sich aber auch sehr angenehm anfühlen. Und zwar dann, wenn wir stark gefordert sind, aber die Aufgaben gut bewältigen können, also weder unter- noch überfordert sind. Wir geraten dann in einen Zustand, den man als „Flow“ bezeichnet.
Das kann geschehen, wenn wir beispielsweise einen Text schreiben, musizieren, an einem Nähprojekt sitzen oder Tennis spielen. Da wir uns ganz auf eine Tätigkeit konzentrieren, reduziert sich unsere Selbst- und damit auch die Zeitwahrnehmung.
Hat meine vierjährige Tochter drei Stunden lang ausgiebig mit Oma und Opa gespielt, pflegt sie mich zu fragen, warum ich sie so früh wieder abhole. Die Zeit verging für sie wie im Fluge. Sie hatte ein Flow-Erlebnis.
Die Zeit will nicht vergehen
Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst, z.B. indem wir auf unsere Körperempfindungen bzw. auf unsere Emotionen achten, dehnt sich die Zeit gefühlt aus.
Das ist der Grund, warum uns in hoch emotionalen Situationen die Zeit sehr lange vorkommt. Eltern neigen zum Beispiel dazu, die Zeit, die ihr Baby geschrien hat, zu überschätzen.
Vielleicht kennst du auch folgendes Szenario: Du bist mit deinem Kind allein zu Hause. Es ist früher Abend und dein Kind ist schon müde, es quengelt und ist gereizt. Du weißt, es dauert nur noch eine knappe Stunde, bis es (hoffentlich) schlafen wird. Aber die Zeit will einfach nicht vergehen …
In diesem Fall sind wir nicht durch eine fordernde Tätigkeit abgelenkt, sondern fühlen einfach nur, wie die Situation uns belastet. Dabei dehnt sich die Zeit.
Auch in Schrecksekunden, etwa bei einem Autounfall, oder in psychischen oder physischen Notsituationen, z.B. während der Trauer um einen geliebten Menschen, bei Liebeskummer, einer Depression, wenn wir hohes Fieber haben oder einfach nur sehr sehr dringend auf Toilette müssen, kann es zu diesem Zeitlupeneffekt kommen.
Ein damit verwandtes Phänomen ist die Langeweile. Wenn wir plötzlich nichts weiter zu tun haben, als auf uns und unsere Gedanken zu achten – etwa wenn wir auf einen verspäteten Zug warten – kommt uns die Zeit unendlich und quälend lang vor. Diesen Zustand sind wir heute kaum noch gewohnt, denn wir zücken einfach unser Smartphone, um die entstandene Leere zu überbrücken.
Dabei kann eine bewusst genutzte Auszeit sehr positive Effekte für uns bereithalten.
Erholung im „Slow-Modus“
Halten wir inne, indem wir uns auf unseren Körper, unsere Emotionen oder unsere Atmung konzentrieren, so dehnt sich die Zeit plötzlich aus – was zu einer wohltuenden Entspannung führen kann.
Das ist das Prinzip von Yoga, Meditation, Floating-Tanks, Atemübungen oder Achtsamkeitstraining.
Das kannst du leicht ausprobieren, indem du dich bequem hinsetzt und einige Minuten lang nur auf deine Atmung konzentrierst. Du wirst merken, dass dir wenige Minuten sehr lange vorkommen.
Wer sehr geübt im Meditieren ist, dem gelingt es, die empfundene Zeit so auszudehnen, dass er nahezu eine Zeitlosigkeit erlebt.
Ein ähnliches Phänomen wird gemeinhin als „Muße“ bezeichnet: Zeit, die eine Person ganz nach eigenen und spontanen Wünschen gestalten kann.
Das erlaubt uns, ohne Gedanken an die Zukunft mit all unseren Sinnen im Hier und Jetzt zu sein, uns die Freiheit zu nehmen, einfach in den Tag hineinzuleben. Die Zeit vergeht dann auf eine angenehme Weise sehr langsam.
Du kannst Einfluss nehmen
Der Versuch lohnt sich, den angenehmen „Slow-Modus“, der den stressigen Alltag entschleunigt, immer wieder bewusst herbeizuführen.
Gerätst du etwa mit deinen Kindern in einen Konflikt, der langsam zu eskalieren droht, klinke dich einfach aus und fühle in dich hinein. Achte auf deinen Körper, deine Emotionen und deine Atmung. So entspannst du dich und kannst danach besonnener handeln.
Auch Langeweile kannst du bewusst positiv umdeuten. Stehst du im Stau oder im Supermarkt an der Kasse, dann ärgere dich nicht, sondern freue dich. Du hast Gelegenheit, eine Achtsamkeitsübung durchzuführen und somit etwas für dich und dein emotionales Gleichgewicht zu tun.
Beispiele: Frage dich, in welcher Stimmung du gerade bist und wie dein Körper sich anfühlt. Achte auf deine Atmung. Mache dir bewusst, was du siehst, hörst und riechst. Du könntest auch mal die Perspektive ändern und versuchen, die Situation aus der Sicht deines Kindes wahrzunehmen.
Gestalte dein Leben
Welche Art der Zeitempfindung ist für ein ausgeglichenes Leben zu bevorzugen? Sollten wir anstreben, dass die Zeit schnell oder eher langsam vergeht?
Die Antwort ist: beides. Wir brauchen Phasen in denen wir angestrengt an etwas arbeiten. Darauf sollten Phasen folgen, in denen wir ohne Ziel auf das Hier und Jetzt achten können. Dies gibt uns die Gelegenheit, uns zu erholen.
Worauf du dagegen leicht verzichten kannst, sind die negativen Zeiterfahrungen. Langeweile und scheinbar verlorene Zeit in eine erholsame Auszeit umzudeuten, hilft dir, die Zeit als positiv zu bewerten.
Will die Zeit mit einem quengelnden Kind nicht verstreichen, so suche nach einer Tätigkeit, auf die ihr euch konzentrieren könnt: Geschichten erzählen, Lieder singen etc.
Fühlst du dich überfordert, weil du zu viele Aktivitäten geplant hast, dann verkürze deine To-Do-Liste.
Du hast es selbst in der Hand, Auswege aus negativen Zeiterlebnissen zu finden. Wichtig ist die Erkenntnis: Du bist der Zeit nicht ausgeliefert, sondern kannst sie bewusst gestalten.
Sind dir beim Lesen Situationen aus dem Alltag eingefallen? Hast du Ideen oder Fragen, wie du damit umgehen sollst? Ich freue mich über deinen Kommentar!
zum Weiterlesen
Web-Links
- focus.de: Nehmen Sie Ihre Zeit wieder selbst in die Hand
- spektrum.de: Wie unser Zeitgefühl entsteht
- zeit.de: Zeitwahrnehmung Psychologie
- Swr.de: Mp3-Audio zum Thema Zeiterleben und seelische Gesundheit
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