Du bist Expertin in deinem Fachgebiet, hast unzählige Kinder und deren Familien beraten und begleitet. Dein Wissen über Kindererziehung, Psychologie und Pädagogik ist umfangreich. Du bist vielleicht Pädagogin, Lehrerin, Kinderärztin, Psychologin oder Sozialarbeiterin und hast in deiner Karriere bereits zahlreiche Herausforderungen gemeistert.
Jetzt bist du selbst Mutter. Und entgegen aller Erwartungen, ist es unglaublich schwierig. Trotz deines Fachwissens und deiner Erfahrung findest du dich in Situationen wieder, die dich an deine Grenzen bringen.
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Deine Erwartungen
Du hattest dich so sehr auf diese wundervolle Erfahrung der Mutterschaft gefreut und dich gut vorbereitet gefühlt. Du hast davon geträumt, eine tiefe Bindung zu deinem Kind aufzubauen, ihm Sicherheit und Unterstützung zu bieten, es kompetent auf seinem Weg zu begleiten.
All die Fehler, die du andere Eltern hast machen sehen, würden dir nicht passieren.
Und du hast erwartet, dass die Gesellschaft das deinem Kind dann auch anmerkt, weil es selbstbewusst, sozial kompetent und emotional stabil sein würde.
Doch die Realität sieht anders aus
Euer Leben ist kompliziert, chaotisch und anstrengend. Dein Kind ist fordernd und hat starke emotionale Ausbrüche oder es ist ängstlich und anhänglich und geht nicht selbstbewusst in die Welt hinaus.
Vielleicht fällt ausgerechnet dein Kind im Kindergarten, in der Schule oder im Kreis deiner Verwandten und Bekannten aus dem Rahmen. Womöglich hat es in den Augen der Gesellschaft „Defizite“. Es ist zu sensibel, zu schnell überreizt, zu wild, zu unkonzentriert oder zu ängstlich.
Es kann aber auch sein, dass sich dein Kind in der Welt „da draußen“ durchaus zusammenreißt, aber du hast das Gefühl, du kannst es niemandem erzählen, was zu Hause tatsächlich an emotionalen Ausbrüchen tagtäglich auf dich niederprasselt.
Dein Kind ist anders als deine Vorstellung! Anders, als du es dir in deinen Träumen ausgemalt hast. Autsch, diese Erkenntnis schmerzt!
Da stehst du also, mitten im Chaos des Alltags, und nichts ist wie erwartet. Dein Fachwissen scheint wie weggeblasen, wenn dein Kind schreit, trotzt oder sich an dein Bein klammert. Statt des erhofften souveränen Miteinanders erlebst du Momente, in denen du dich hilflos und überfordert fühlst.
Die Blicke der anderen
Dazu fühlst du vielleicht die Blicke der anderen: andere Mütter, Nachbarn, deine Eltern, die Schwiegermutter, deine Geschwister und sogar Freundinnen. Du spürst deren Urteile und hörst deren ungebetene Kommentare. Oder du glaubst zumindest, dass dich andere verurteilen würden, wenn sie wüssten, wie es bei euch zu Hause manchmal zugeht …
Du schämst dich
Das alles führt zu einem unglaublich schmerzhaften Gefühl: Scham. Du fühlst dich als Mutter wie eine Versagerin und sorgst dich, nicht gut genug zu sein. Und womöglich lehnst du dich selbst dafür ab. Die Scham kann dafür sorgen, dass du dich isoliert, unverstanden und unwürdig fühlst.
Sie kann die Fähigkeit zur Verbindung einschränken und dazu führen, dass du dich von anderen zurückziehst, vor ihnen eine Maske der Perfektion aufsetzt, anstatt dich offen und authentisch zu zeigen.
Es kann auch sein, dass du dich selbst stark unter Druck setzt, dich (und dein Kind!) einem unrealistischen Perfektionsstandard unterwirfst. Natürlich kann es euch damit nicht gut gehen. Und häufig leidet die Beziehung zu deinem Kind beträchtlich. Es kann dazu führen, dass du eben nicht zu deinem Kind stehst, sondern dich – wie ferngesteuert – genau wie die Mama verhältst, die du eigentlich nie sein wolltest.
Wie ist das möglich? Du weißt es doch eigentlich besser!
Ganz natürliche, biologische Mechanismen
Ja, auch wir Mamas mit fachlichem Hintergrund sind Menschen. Wenn der Druck zu groß wird, wenn der Stresspegel steigt, finden auch wir uns im Kampf-oder-Flucht-Modus wieder. Der Zugang zu unserem rationalen Denken ist versperrt, wir wollen uns und unser Kind jetzt nur noch durch die Situation retten. Es geht gefühlt ums Überleben. Dann kann es passieren, dass wir meckern, nörgeln, schreien, erpressen, Angst machen – all das, was wir unbedingt vermeiden wollten.
Dieser Modus kann natürlich auch durch ganz allgemeine Herausforderungen, wie der Versuch, mit Kind pünktlich aus dem Haus zu kommen, ausgelöst werden. Wenn wir zusätzlich zu den alltäglichen Herausforderungen des Mutterseins aber noch Scham, Selbstkritik und Perfektionsdruck verspüren, kommt das viel schneller, häufiger, vielleicht sogar dauerhaft vor.
Außerdem kann dein Kind durch die emotionale Nähe noch mal ganz anders deine Triggerpunkte bedienen, als du es im beruflichen Kontext gewohnt bist. Hier kommen deine Kindheitserfahrungen hoch. Du eckst mit deinen bisher gut funktionierenden Überlebensstrategien plötzlich an.
Jetzt wirst du endlich herausgefordert, dich mit dir selbst auseinanderzusetzen: mit deiner Vergangenheit, deiner Persönlichkeit und deinen Glaubenssätzen. Du wirst unsanft gezwungen, dich weiterzuentwickeln und an die neue Realität mit Kind anzupassen.
Dein Kind ist kein Zeugnis deiner Kompetenz
Ja, dein Kind ist vielleicht anders als erwartet. Es kommt mit einer eigenen Persönlichkeit auf die Welt, hat ganz individuelle Bedürfnisse und seine Entwicklung folgt keinem Skript.
Dein Kind hat es verdient, dass du dich vom Gedanken an ein ideales Kind verabschiedest. Es kommt nicht als weißes Blatt zur Welt, das du nur noch beschreiben und knicken musst, damit es ein Meisterstück wird.
Es ist an der Zeit, dass du dich deinem realen Kind zuwendest. Sei neugierig! Wer ist dein Kind eigentlich? Welches Temperament hat es? Welche Begabungen bringt es mit? An welcher Stelle braucht es deine Unterstützung, um mit den Anforderungen der Umwelt zurechtzukommen? Es geht nicht darum, dein Kind in eine Schablone zu pressen, sondern ihm zu helfen, sich im Rahmen seiner Umwelt selbst zu entfalten.
Lösungsansätze
1. Realität annehmen und für dich selbst sorgen
Der erste Schritt ist, sich die reale Situation einzugestehen. Du darfst unrealistische Erwartungen loslassen und deine schmerzlichen Gefühle sowie deine Verletzlichkeit zulassen. All deine Gefühle dazu sind okay.
Du kannst anerkennen, dass du gerade eine schwere Zeit hast und dir selbst dafür Mitgefühl schenken. Einer guten Freundin in der gleichen Situation würdest du bestimmt auch Verständnis entgegenbringen und versuchen, sie aufzumuntern und aufzupäppeln, statt sie noch weiter zu verurteilen. Schenke dir selbst genau das – denn das ist es, was du jetzt brauchst.
Nimm dir Zeit für dich selbst. Selbstfürsorge ist entscheidend, um deine eigene Balance zu finden und gestärkt für die Herausforderungen des Alltags mit deinem Kind zu sein. Selbstfürsorge hilft dabei, dass du viel häufiger, die entspannte, reflektierte und kreative Mama sein kannst, die du dir für dein Kind wünschst.
2. Schenke dir die Zeit, die du brauchst
Wenn du beginnst wahrzunehmen und anzuerkennen, welche individuellen Bedürfnisse jedes Mitglied in eurer Familie hat (und aufhörst danach zu leben, welche „man“ haben sollte), kannst du beginnen, euren Alltag zu reflektieren und für euch passend umzugestalten.
Gib dir die Erlaubnis, offen für neue Wege und Lösungen zu sein. Jede Familie ist einzigartig und es gibt keine allgemeingültige Anleitung. Trau dich, kreativ zu sein und zu experimentieren, um herauszufinden, was für dich und dein Kind am besten funktioniert.
Sei dabei geduldig mit dir und deinem Kind. Gib den Veränderungen ausreichend Zeit, sich zu entfalten. Und denke daran, dass es normal ist, wenn nicht alles perfekt läuft und sich immer wieder neue Herausforderungen auftun.
3. Zeige dich verletzlich und gehe in Verbindung
Ein weiterer Schritt ist, deine dich isolierende Maske der Perfektion bewusst abzulegen und dich anderen zunehmend offen und verletzlich zu zeigen. Das schafft Nähe und Verbindung. Denn erst dann können die anderen verstehen, was in dir vorgeht und dich unterstützen. Gib ihnen die Chance dazu, indem du von deinen Herausforderungen und Gefühlen erzählst.
Wohltuend sind verbindende Gespräche mit anderen Eltern in ähnlichen Situationen. Denn du bist nicht allein! Vielen geht es ähnlich wie dir. Es ist wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen, zu ermutigen, sich zuzuhören und sein zu dürfen.
Denke daran, dass du als Mutter wertvoll bist, unabhängig von den Herausforderungen, denen du gegenüberstehst. Du leistest einen bedeutenden Beitrag im Leben deines Kindes und verdienst Anerkennung und Unterstützung auf diesem Weg.
Mach mit!
Im Mama-Coaching wenden sich häufig Mütter mit fachlicher Expertise an mich: Psychologinnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen, Kinderärztinnen, Familienberaterinnen oder Sozialarbeiterinnen. Wenn sie sich erst mal überwunden haben, um Unterstützung zu bitten, fällt es ihnen in der Regel leicht, mit etwas Hilfestellung von außen die Verbesserungen in ihrem Familienleben herbeizuführen, die sie sich wünschen. Die fachliche Expertise ist eben auch eine wertvolle Ressource!
Und letztlich gehöre ich als Mama-Coach ja auch dazu. Ich habe meine Coaching-Ausbildung und diesen Blog hier zwar erst nach der Geburt meiner zweiten Tochter begonnen, aber ich kenne Gedanken wie „Oh du meine Güte, wenn die Leute wüssten, wie überfordert ich mich jetzt gerade fühle, sie wären schockiert!“
Dabei ist das Quatsch! Selbst wenn ich jetzt Mamas unterstütze, habe ich natürlich auch weiterhin meine eigenen Herausforderungen als Mutter. Ich muss mich selbst immer wieder reflektieren, mich an neue Phasen meiner Kinder anpassen, ich habe selbst Tage, in denen mein Kampf- oder-Fluchtmodus anspringt oder Themen, die mich unerwartet triggern. Das gehört zu jedem Mama-Leben dazu.
Und auch ich übe mich darin, mich immer wieder vertrauten Personen gegenüber verletzlich zu zeigen und mir auch mal Unterstützung zu holen, wenn ich einen Knoten im Kopf habe oder einfach mal Dampf ablassen muss. Das ist alles normal. Und ich finde es wichtig, darüber zu sprechen. Damit niemand sich in seiner Scham isolieren muss.
Entsprechend hat sich in mir der Wunsch geformt, diese Mamas einmal zusammenzubringen. Ich möchte einen geschützten Raum schaffen, in dem ihr euch über eure Herausforderungen austauschen und füreinander da sein könnt.
Wenn ihr euch verstanden, gesehen und gehört fühlt und merkt, dass ihr nicht allein seid – kann das schon viel bewirken!
Wenn du dich in diesem Text wiedergefunden hast, dann lade ich dich ein zu einer Reflexions- & Austauschwoche vom 18. bis 22. März 2024.
Infos & Anmeldung: hier.