Warum du dein Kind am Alltag der Erwachsenen teilhaben lassen solltest (und warum es manchmal besser sein kann, es doch nicht zu tun)

Der Alltag einer berufstätigen Mutter besteht heute zumeist aus klar voneinander abgegrenzten Bereichen: Arbeiten, Kinderbetreuung, Haushalt und – mit etwas Glück – zusätzlich frei verfügbare Zeit.
Es mag für viele auf der Hand liegen, dass sich zumindest Kinderbetreuung und Haushalt gut vereinbaren lassen.
So war es für mich anfangs nicht.
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Ein Hoch auf Hausarbeit ohne Kinder
Meine erste Tochter war ein forderndes Baby und Kleinkind, das man nicht mal eben auf einer Krabbeldecke parken konnte, um sich für ein Stündchen dem Haushalt zu widmen. Nein, sie nahm permanent, hartnäckig und lautstark meine Aufmerksamkeit in Anspruch.
Als Säugling schlief sie die ersten Monate tagsüber nur, wenn ich sie in einer Babytrage an meinem Körper spazieren trug.
Wagte ich, einen dieser Schlafspaziergänge zu nutzen, um flugs ein paar Einkäufe zu tätigen, wurde das spätestens an der Kasse mit lautem Gebrüll quittiert. Wie konnte die Mama nur ihren gemütlichen Wiegeschritt unterbrechen, wo das Kind doch noch nicht ausgeschlafen hatte?
Als diese Tochter 21 Monate alt war, erblickte ihre genügsamere Schwester das Licht der Welt.
Versuche mal mit einem Säugling im Tragetuch und einem tollpatschigen, fast zweijährigen Wutzwerg am Bein den Hausputz zu erledigen.
Meine Notlösung: Sobald Papa nach Hause kam, wurden ihm die Kinder übergeben. So konnte ich mich alleine dem Haushalt widmen. Das fühlte sich fast wie Freizeit an – eine herrliche Erholung vom Alltag der Kinderbetreuung.
Aus diesen Erfahrungen heraus entwickelte ich folgende Idealvorstellung einer Work-Life-Balance: Ich wollte neben der Zeit für das Arbeiten zum Broterwerb noch ein freies Zeitfenster für den Haushalt haben, in dem die Kinder von jemand anderem betreut werden. Ohne Kinder brauche ich nur ein paar Stunden. Mit „Hilfe“ der Kinder verlängert sich die Zeit um das Vielfache …
Ich wollte also meine Zeit mit den Kindern beim Vorlesen, Puzzeln, Basteln, Sandkastenbuddeln und Puppenspielen verbringen. Alle wären glücklich damit. Guter Plan, oder?
Warum ich Alltagstätigkeiten jetzt doch mit Kindern erledige
Meine Mädchen sind jetzt 2 und 4 Jahre alt. Sie kleben mir jetzt nicht mehr ganz so viel an Haut und Kleidung und ich kann mich relativ frei durch die Wohnung bewegen.
Mittlerweile zeigen sich die Kinder interessiert an unseren Alltagstätigkeiten. Sie fordern geradezu ihr Recht ein, ihren Beitrag leisten zu dürfen. Ist ja auch einleuchtend – schließlich wollen sie selbstständig und selbstwirksam sein, was sie ideal auf das Erwachsenenleben vorbereitet. Warum sollten wir ihnen diese wichtigen Erfahrungen vorenthalten?
Und so ergab es sich, dass ich nun versuche, die Kinder so viel wie möglich in meine Alltagsarbeiten einzubeziehen.
Vorteile für das Kind
1. Kennenlernen der "echten" Welt
Kinder nehmen sich ihre engen Bezugspersonen zum Vorbild und imitieren alles, was sie bei diesen beobachten.
Es liegt auf der Hand, dass wir die Kinder an unserem Erwachsenenalltag teilhaben lassen sollten und nicht nur unsere Tätigkeiten unterbrechen, um uns eine zeitlang dem kindlichen Spiel zu widmen.
Eine junge Katze lernt das Mäusefangen durch Beobachtung und Nachahmung. Auch Kinder lernen so am besten.
Wenn wir unsere Kinder regelmäßig beim Kochen verscheuchen, weil es zu gefährlich ist und sie den Ablauf stören, dürfen wir nicht darauf hoffen, dass unsere Kinder das Kochen lernen, indem wir ihnen zum Auszug ein Kochbuch mit dem Titel „ Einfache Gerichte Schritt für Schritt“ schenken.
2. Gesundes Selbstwertgefühl
Wenn du deinem Kind erlaubst, bei Alltagstätigkeiten mitzuhelfen, zeigst du ihm, dass du es respektierst, ihm vertraust und ihm etwas zutraust. Dein Kind fühlt sich wertvoll.
3. Selbstwirksamkeit und Resilienz
Nur wer schon einmal vor einer echten Herausforderung stand und diese gemeistert hat, kennt das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Wird dieses Gefühl häufig erlebt, steigt die Widerstandskraft (Resilienz). Diese hilft uns in schwierigen Situationen aktiv zu werden und Probleme anzugehen.
Wir können unsere Kinder für die Zukunft stärken, indem wir ihnen nicht alles abnehmen, sondern sie ermutigen, immer wieder Herausforderungen anzunehmen, die ihrem Entwicklungsstand entsprechen.
Sollten sie scheitern, können wir sie darin unterstützen, den Mut nicht zu verlieren, es noch einmal zu versuchen oder Hilfe zu organisieren. So lernen sie, dass es sich lohnt, dran zu bleiben.
4. Frühförderung inklusive
Die meisten Eltern wünschen ihrem Kind einen gelungenen Schulstart. Frühförderkurse aller Art boomen. Eltern investieren dafür viel Zeit und Geld.
Im freien Spiel liegt eine kostenlose und effektive Form der Frühförderung – das habe ich hier beschrieben.
Aber auch das Einbeziehen in den Erwachsenenalltag ist eine exzellente und kostenlose Fördermaßnahme. Die KiKA-Studie zeigt, dass die Alltagskompetenz von Schulanfängern ebenso bedeutsam für den Lernerfolg am Schulanfang ist, wie etwa die elterliche Schulbildung.
Vorteile für die Eltern
1. Entlastung
Nach einer zugegebenermaßen anstrengenden Zeit des Trainings, können Kinder viele Aufgaben selbstständig bewältigen. Ein Schulkind, das sein Pausenbrot alleine schmiert, nimmt den Eltern Stress in den Morgenstunden.
2. Wertschätzung
Ein Kind, das selbst den im Flur entstandenen Sandhaufen aufgefegt hat, wir seine Schuhe vielleicht umsichtiger ausziehen, als eines, dem ganz selbstverständlich hinterhergesaugt wird.
Haben Kinder sich beim Kochen eingebracht, werden sie das Gericht vielleicht eher probieren wollen, als wenn sie dies einfach vorgesetzt bekommen.
Ohne eigene Erfahrung können Kinder nicht wissen, wie viel Mühe es bedeutet, zu Hause alles in Schuss zu halten – auch wenn wir es ihnen immer wieder predigen. Wir müssen ihnen die Chance geben, unsere Arbeit im Haushalt wertschätzen zu lernen.
3. Beschäftigung
In der Zeit, in der du deine Kinder einlädst, dich bei deinen alltäglichen Herausforderungen im Haushalt zu begleiten, brauchst du sie nicht künstlich mit „Kindertätigkeiten“ zu beschäftigen. Etwas gemeinsam zu erledigen, schweißt zusammen und kann für allseitige Zufriedenheit sorgen. Eine wertvolle Erfahrung für Kinder und Eltern.
4. Freie Zeit
Wie ich eingangs beschrieben habe, bildete früher der Haushalt meine persönliche Auszeit. Heute versuche ich, diesen mit den Kindern zu erledigen, und gewinne so „echte“ Zeitfenster für mich.
Ich muss nicht mehr warten, bis die Kinder im Bett sind, ehe ich mir die Wäsche vornehme oder Ordnung in die Wohnung bringe. Ein Feierabend, den du für dich und deine Bedürfnisse nutzen kannst, ist ein wunderbarer Lohn für deine Bemühungen, die Kinder mehr einzubinden.
Dein Kind will nicht helfen?
Versuche nicht, dein Kind zu zwingen, sich am Haushalt zu beteiligen. Dies wird seine kindliche Neugier an den „Erwachsenenaufgaben“ im Keim ersticken.
Frage dein Kind, ob es helfen möchte, und unterstütze es immer dann, wenn es von sich aus Interesse zeigt, eine Aufgabe zu übernehmen. Dein Kind spürt am besten, was im Moment gerade wichtig und richtig für seine Entwicklung ist.
Verliert es die Lust und fängt an zu spielen? Dann lass ihm seine Erholungs- und Verarbeitungszeit, die es vermutlich im freien Spiel sucht.
Nichts muss!
Es kann noch so viele Vorteile haben, die Kinder in deine alltäglichen Aufgaben einzubinden, manchmal geht es einfach nicht. Je kleiner und anspruchsvoller die Kinder sind, desto schwieriger ist es.
Auch heute bleibt mir oft nichts anderes übrig, als flexibel auf die Umstände einzugehen. Meine Kinder haben immer wieder einmal einen schlechten Tag. Dann quengeln sie viel, suchen meine Nähe und wollen mir weder helfen, noch sich alleine beschäftigen.
In so einer Situation muss man seine Pläne auch loslassen können – zum Wohle aller.
Dann bleiben die Krümel eben heute auf dem Boden liegen und es gibt zum Abendessen nur Butterbrote. Vielleicht gehen wir einfach spontan an die frische Luft. Etwas wirklich Dringliches muss dann vielleicht doch am Abend erledigt werden. Was soll’s, es kommen auch wieder andere Tage.
Da gilt, was mein Mann gerne zu sagen pflegt: „Wir sind doch nicht Sklaven unseres eigenen Plans!“ Wie wahr …
Wie ist das bei dir? Gelingt es dir, deine Kinder in deine alltäglichen Aufgaben einzubeziehen? Bei welchen Tätigkeiten können deine Kinder schon gut mithelfen? Kennst du diese Tage, an denen deine Pläne nicht aufgehen?
zum Weiterlesen
Web-Links
- elternvommars.com über die Wichtigkeit alltäglicher Tätigkeiten für Kinder – mit schönen Bildern!
- healthyway.com über Erfolgsfaktoren der Elternschaft (englisch)
- stadtmama.at – Montessori Aktivitäten für jeden Tag
Buchempfehlungen
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